Analysen

30 Jahre Deutsche Telekom – vom Staatskonzern zum privatisierten Global Player

Die Deutsche Telekom AG entstand aus der staatlichen Deutschen Bundespost Telekom im Zuge der Postreform II. Zum 1. Januar 1995 wurde der Telekom-Bereich der Bundespost in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Bereits Ende 1996 folgte der erste Börsengang („T-Aktie“), der als Volksaktie beworben wurde – prominenterweise durch den Schauspieler Manfred Krug im Werbespot mit dem Slogan: „Die Telekom geht an die Börse, und ich gehe mit.“ Viele Deutsche, oft Börsen-Neulinge, zeichneten die neuen Aktien. Bis 2000 verkaufte der Bund in drei Tranchen Aktien an Privatanleger und Investoren. Dadurch sank der Staatsanteil am Unternehmen zunächst von 100 % auf etwa 58 %. Die Ära als Monopolist endete ebenfalls: Ab 1998 wurde der Telekommunikationsmarkt in Deutschland für Wettbewerber geöffnet.

Die Privatisierung erfolgte schrittweise: Anfangs blieb der Bund Mehrheitsaktionär, verzichtete aber auf Bezugsrechte bei Kapitalerhöhungen (1996, 1999) und veräußerte später Aktien über die staatliche Bank KfW. Großinvestoren kamen hinzu – etwa erwarb 2006 der US-Finanzinvestor Blackstone 4,5 % der Anteile. Infolge von Akquisitionen (z.B. der US-Mobilfunkfirma VoiceStream 2001) verwässerte sich der Staatsanteil weiter. Bis Mitte der 2000er sank der Bundesanteil auf unter 40 % und damit unter die Sperrminorität.

Staatliche Beteiligung heute: Komplett zurückgezogen hat sich der Staat jedoch nicht. Derzeit (Stand 2024) hält der Bund direkt rund 13,8 % der Telekom-Aktien, weitere 14,0 % werden über die KfW gehalten – zusammen also knapp 27,8 %. Damit ist die öffentliche Hand weiterhin größter Einzelaktionär der Telekom. Offiziell begründet die Bundesregierung dies mit einem fortbestehenden Bundesinteresse an der Telekom. Kritiker monieren allerdings, der Staat schütze so den Konzern vor vollem Wettbewerbsdruck – er habe etwa lange auf alten Kupferkabeln beharrt, statt zügig in Glasfasernetze zu investieren. Liberale und Grüne forderten wiederholt einen vollständigen Ausstieg des Bundes, um die Erlöse in den Netzausbau zu stecken. Bisher überwog jedoch der politische Wunsch, die Dividenden der Telekom weiter für den Bundeshaushalt zu vereinnahmen. So sind jährliche Ausschüttungen – um 1 Mrd. € – fest im Staatshaushalt eingeplant.

Ziele der Privatisierung: Anspruch und Wirklichkeit

Welche wirtschaftlichen Ziele wurden mit der Telekom-Privatisierung verfolgt – und inwieweit wurden sie erreicht? Die wichtigsten Motive und ihre heutige Bilanz:

  • Wettbewerbsfähigkeit steigern: Ein Hauptziel der Postreform II war es, Telekommunikation aus der behäbigen Behördenstruktur zu lösen und das Unternehmen national und international wettbewerbsfähig aufzustellen. Dieses Ziel gilt als erreicht: Die Telekom hat ihren Umsatz seit 1995 vervielfacht und agiert heute weltweit erfolgreich. Sie steht „im europäischen Vergleich gut da“, betont etwa DIW-Experte Martin Gornig.
  • Modernisierung und Investitionen: Als Staatsbetrieb hätte die Telekom die enormen Investitionen in neue Technologien (Digitalisierung, Mobilfunk, Internet) kaum stemmen können. Durch den Börsengang flossen der Telekom erhebliche Eigenkapitalmittel zu, was den Netzausbau beschleunigte. Heute betreibt die Telekom hochmoderne Mobilfunk- und Datennetze (5G, Glasfaser in Ballungsräumen) und investiert Milliarden in die Digitalisierung. Allerdings wird kritisiert, dass der Glasfaserausbau in Deutschland lange verschleppt wurde – teils aus Renditedenken und mangels Druck auf den Ex-Monopolisten.
  • Haushalt und Staatsfinanzen: Die Privatisierung sollte dem Staatshaushalt Entlastung bringen. Tatsächlich erzielte der Bund durch Aktienverkäufe erhebliche Erlöse (allein 1996 rund 10 Mrd. €, später weitere Tranchen). Zudem trägt sich das Unternehmen seither selbst und zahlt Steuern statt am Bundeszuschuss zu hängen. Bis heute hat der Bund durch anteilige Aktienverkäufe (zuletzt 2024) weitere Milliarden eingenommen. Diese Mittel fließen z.B. aktuell in die Sanierung der Bahn-Infrastruktur. Andererseits haftet der Bund nicht mehr für Telekom-Schulden – im Gegenteil, er profitiert weiterhin von Dividendenzahlungen.
  • Liberalisierung und Verbrauchervorteile: Ein zentrales Anliegen war, durch Wettbewerb bessere und günstigere Telekommunikationsdienste zu erreichen. Hier zeigt sich ein deutlicher Erfolg für Kunden: Seit den 90er-Jahren sind Telefonieren und Internetzugang real viel günstiger geworden, und es gibt eine breite Anbieterauswahl. „Die Privatisierung war für die Kunden grundsätzlich gut“, bestätigt Ingmar Streese vom Verbraucherzentrale-Bundesverband. Waren früher z.B. Ferngespräche ein Luxus (Anfang der 90er kostete ein 10-Minuten-Gespräch im Inland 2,93 €, sind Telefonie und Daten heute für jedermann erschwinglich. Allerdings bemängeln Verbraucherschützer auch Negativaspekte: Das Tarifangebot ist komplexer und unübersichtlicher geworden, was viele Kunden überfordert. Wichtig bleibt daher eine starke Regulierung durch Bundesnetzagentur & Co., um fairen Wettbewerb sicherzustellen und Preistreiberei zu verhindern.
  • Volksaktie und Aktienkultur: Die Bundesregierung verfolgte mit der Telekom-Privatisierung auch das politische Ziel, Aktienbesitz in der Bevölkerung zu fördern. Anfangs schien das Konzept „Volksaktie“ aufzugehen: Rund 1,9 Millionen Kleinanleger zeichneten die ersten Telekom-Aktien und wurden damit zu Aktionären. Kurzzeitig stieg die Aktienbegeisterung in Deutschland stark an. Doch nach dem Platzen der Dotcom-Blase (2000) fiel die T-Aktie dramatisch – von über 100 € auf zeitweise unter 10 €. Viele Privatanleger gerieten in Panik und verkauften mit Verlust. Das Vertrauen war derart erschüttert, dass die Börsenbeteiligung deutscher Haushalte langfristig wieder sank. Bis heute notiert die Telekom-Aktie unter den Höchstständen der Jahr 2000 und sogar teils unter alten Ausgabepreisen. Der Imageverlust der „Volksaktie“ gilt als Lehrstück dafür, wie riskant Privatisierungen am Aktienmarkt für unerfahrene Anleger sein können. Künftig fordert etwa das DIW strengere Prüfungen, wenn Unternehmen Aktien an Kleinanleger abgeben – um überzogene Hoffnungen oder Betrug (siehe Fall Wirecard) frühzeitig zu erkennen.

Wirtschaftliche Entwicklung: Erfolge und Herausforderungen

Nach 30 Jahren im Wettbewerb ist die wirtschaftliche Bilanz der Telekom gemischt, aber tendenziell positiv. Umsatz und Gewinn des Konzerns haben sich seit der Privatisierung stark erhöht. Langfristig betrachtet „ist der Erfolg enorm: Der Umsatz vervierfachte sich seit 1995 auf rund 116 Mrd. $“ (ca. 107 Mrd. €) laut wiwo.de, und auch die Ergebnisse verbesserten sich. Die Telekom hat sich vom nationalen Telefongiganten zu einem globalen Telekom-Konzern entwickelt, der auf fünf Kontinenten aktiv ist. Besonders dynamisch wuchs das Mobilfunkgeschäft: Durch Zukäufe in Europa und den USA stieg die Telekom in die Weltspitze auf. Ihre US-Tochter T-Mobile US hat nach der Fusion mit Sprint über 100 Millionen Kunden und ist zur Nummer 2 auf dem amerikanischen Mobilfunkmarkt aufgestiegen – ein bemerkenswerter Erfolg. In den letzten Jahren trägt das boomende US-Geschäft den Konzern maßgeblich und übertrifft das Europa-Geschäft deutlich. Auch im heimischen Markt bleibt die Telekom führend und investiert in neue Technologien: Laut CEO Timotheus Höttges besitzt man beim Ausbau von 5G-Mobilfunk einen Vorsprung vor den Wettbewerbern in Deutschland. Diese Entwicklungsfähigkeit zeigt die Wandelbarkeit des Unternehmens und wird in der Branche als Erfolgsfaktor gesehen.

Den wirtschaftlichen Erfolgen stehen jedoch auch Probleme und Rückschläge gegenüber:

  • Aktiencrash und Vertrauensverlust: Der spektakuläre Höhenflug und Absturz der T-Aktie um die Jahrtausendwende hinterließ einen nachhaltigen Schaden im Anlegervertrauen. Viele Bürger verloren Geld und waren verbittert – Manfred Krug bezeichnete seine Beteiligung an der Werbekampagne später als „größten beruflichen Fehler“. Bis heute kämpft die Aktie mit diesem Erbe; viele Anleger betrachten sie als wenig dynamisch. Erst jüngst fassten Analysten wieder Optimismus und sehen Kurssteigerungspotenzial – doch die Altlast des Volksaktie-Desasters bleibt ein Mahnmal.
  • Hohe Schulden und Fehlinvestitionen: In der Expansionsphase um 2000 häufte die Telekom enorme Schulden an – zeitweise über 60 Mrd. €. Gründe waren teure UMTS-Mobilfunklizenzen und Übernahmen (z.B. VoiceStream für ~40 Mrd. $). Als die Blase platzte, stand der Konzern unter Druck, die Verschuldung abzubauen. Es folgten Sparprogramme und der Verkauf von Randgeschäften (z.B. Beteiligungen an Kabelnetzen, Immobilien, Gelbe Seiten). Der damalige Vorstandschef Ron Sommer trat 2002 infolge der Krise zurück. Zwar hat die Telekom ihre Finanzlage seither stabilisiert (das Nettoergebnis ist positiv und die Verschuldung im Verhältnis zum Gewinn tragbar), jedoch werden einige Investitionsentscheidungen der frühen 2000er rückblickend als überteuert kritisiert. So bemängelte der Bundesrechnungshof, dass der Bund beim Verkauf der UMTS-Lizenzen zwar Milliardeneinnahmen hatte, die Netzbetreiber (darunter Telekom) aber finanziell überfordert wurden – was letztlich auch dem Standort schadete.
  • Personalabbau und Kulturwandel: Die Privatisierung ging mit einem drastischen Umbau der Belegschaft einher. In den vergangenen Jahrzehnten wurden zehntausende Arbeitsplätze abgebaut oder in Tochterfirmen ausgegliedert. Aus einem behäbigen Beamtenapparat wurde ein schlanker, renditeorientierter Konzern. Viele Bundespost-Beamte wurden in neuen Strukturen weiterbeschäftigt – teils sogar bei externen Käufern (eine „historische Besonderheit“, dass deutsche Beamte nun für einen ausländischen Privateigentümer arbeiten, wie im Falle der ausgegliederten Telekom-Immobiliensparte). Gewerkschaften wie ver.di kritisieren seit Jahren den Druck auf die Beschäftigten: Leistungsverdichtung, Auslagerung und Stellenstreichungen hätten die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Für das Unternehmen brachten diese Maßnahmen zwar Kostensenkungen und Effizienzgewinne, doch aus sozialer Sicht ist die Bilanz gemischt.
  • Infrastruktur und Innovationsdefizite: Obwohl die Telekom technologisch aufholte, wird ihr oft vorgeworfen, den Breitbandausbau in Deutschland nicht ambitioniert genug vorangetrieben zu haben. Besonders der verzögerte Glasfaserausbau (FTTH) wird kritisch gesehen. Die Telekom setzte lange auf das vorhandene Kupfernetz (Vectoring-Technik), was kurzfristig günstiger war, aber Deutschland im internationalen Vergleich bei Glasfaser-Anschlüssen zurückwarf. Wettbewerber klagen, die Telekom habe dank ihrer Marktmacht und politischer Rückendeckung den Ton im Breitbandausbau angegeben – nicht immer zum Vorteil der Kunden. So gab es Fälle sog. „strategischen Überbaus“, in denen die Telekom ausgerechnet dort plötzlich Glasfaser legte, wo lokale Anbieter bereits aktiv waren, um Konkurrenz auszubremsen. Ob dies systematisches Verhalten oder legitime Konkurrenz ist, blieb umstritten, doch die Vorwürfe zeigen: Beim Infrastruktur-Thema steht die Telekom bis heute unter genauer Beobachtung von Regulierern und Öffentlichkeit.

Kontroversen: Für gelungen erklärt oder kritisiert?

Die Einschätzung der Telekom-Privatisierung fällt je nach Perspektive unterschiedlich aus. Viele Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft bewerten die Privatisierung positiv – sie sehen einen modernen Konzern und Vorteile für Verbraucher und Staat. Andere Stimmen üben Kritik, insbesondere an der fortdauernden Staatsbeteiligung und an einigen Folgen der Privatisierung.

Befürworter und positive Stimmen: Aus der Wissenschaft meint etwa der Ökonom Martin Gornig (DIW), die Privatisierungen von Post und Telekom seien „im Großen und Ganzen eine Erfolgsgeschichte“. Er verweist auf die solide internationale Position der Unternehmen als Beleg für gelungene Transformation. Auch aus der Wirtschaftspolitik kommt Zuspruch: Der Bund der Steuerzahler sieht in den verbliebenen Staatsanteilen ungenutztes Potenzial und plädiert für Verkäufe – die Telekom stehe wirtschaftlich so gut da, dass ein Anteilsverkauf dem Staat „rund 20 Milliarden Euro bringen“ würde. Liberale Wirtschaftspolitiker wie Christian Lindner (FDP) halten keine ordnungspolitischen Gründe mehr für gegeben, am Staatsanteil festzuhalten. Lindner argumentiert, dem Unternehmen würde eine vollständige Privatisierung „gut tun“: Ohne Staat im Aktionärskreis hätte die Telekom mehr strategische Freiheit, könnte leichter neues Kapital am Markt aufnehmen und ihre Aktie würde attraktiver bewertet. Tatsächlich meinen Börsenanalysten, der hohe Staatsanteil belaste den Aktienkurs und „hemme die strategische Entwicklung“ des Unternehmens. Eine Reduzierung würde von Investoren begrüßt werden. Telekom-Chef Höttges selbst äußerte sinngemäß, die Stärke des Konzerns würde sich in einem höheren Aktienkurs widerspiegeln, wenn der Staat sich zurückziehe.

Positiv heben viele hervor, dass die Liberalisierung der Telekommunikation gelungen ist. Verbraucherschützer Streese etwa bilanziert, dass Kunden heute von „sinkenden Preisen und mehr Auswahl“ profitieren. Aus unternehmerischer Sicht wird die Telekom als innovativer gesehen als zu Staatszeiten; sie konnte flexibler auf Markttrends reagieren (Smartphones, Internet-Boom, Konvergenz). Insgesamt hat der Schritt an die Börse die Telekom wettbewerbsfähiger und globaler gemacht, was als volkswirtschaftlicher Gewinn gewertet wird.

Kritische Stimmen und Bedenken: Trotz der Erfolge gibt es anhaltende Kritikpunkte. Der Bundesrechnungshof etwa hinterfragt, warum der Bund überhaupt noch an der Telekom beteiligt ist: „Telefonieren ist heute keine staatliche Daseinsvorsorge mehr“, so der Vizepräsident Christian Ahrendt. Es gebe keinen sachlichen Grund, dass der Staat weiterhin Teilhaber eines Telekom-Konzerns sei, zumal es einen funktionierenden Wettbewerb gebe. Ähnlich argumentiert die Monopolkommission (ein Beratungsgremium der Regierung): Die staatliche Teilhabe berge Interessenskonflikte, da der Bund als Anteilseigner auf hohe Unternehmensgewinne aus sei, zugleich aber als Regulator faire Marktbedingungen gewährleisten müsse. Außerdem verschaffe die implizite Staatsnähe der Telekom Vorteile – etwa eine exzellente Bonität, die Wettbewerber so nicht genießen. Statt mit „staatlich unterstützten Konzernen“ die Grundversorgung zu sichern, sollten klare Gesetze und Regulierung diese Aufgabe übernehmen. Frei werdende Milliarden könne man besser direkt in die Infrastruktur (Breitbandausbau) investieren. Wettbewerberverbände begrüßen solche Forderungen nach endgültiger Privatisierung ausdrücklich. Der Branchenverband VATM etwa klagt seit Jahren über die „Interessenkollision des Staats als Aktionär, Regulierer und Gesetzgeber“. Die Folge seien überhöhte Entgelte für die Nutzung von Telekom-Netzen, da die Regulierung „Überrenditen“ für den Ex-Monopolisten zugelassen habe. Hier schwingt der Vorwurf mit, der Staat habe die Telekom aus Eigeninteresse zu milde behandelt. Auch beim Thema Überbau von Glasfasernetzen fühlen sich alternative Anbieter benachteiligt und wittern „zu viel Staatsnähe“, wenn politische Entscheidungsträger Berichte über mögliche Telekom-Marktmachtmissbräuche entschärfen.

Neben diesen ordnungspolitischen Einwänden gibt es weitere Kritik: Verbraucher bemängeln trotz aller Verbesserungen manches Mal den Kundenservice und die Tarifpolitik der Telekom. Fachmedien und Tests (z.B. Connect) stellten die Telekom zwar oft als Qualitätsführer dar, mahnten aber ebenfalls, dass Deutschland beim Highspeed-Internet hinterherhinkt – woran der dominante Ex-Monopolist nicht unschuldig sei. Der Bundesverband Breitband kritisierte, die Telekom habe zu lange am lukrativen DSL-Geschäft festgehalten und echten Wettbewerb bei Glasfaser gebremst. Gewerkschaften schließlich betrachten die Privatisierung aus Arbeitnehmersicht kritisch: Der Personalabbau und die Jagd nach Rendite hätten vielen Beschäftigten Nachteile gebracht. Insbesondere die Auslagerung in Billig-Tochterfirmen und der Druck auf Ältere („Golden Handshakes“ zur Frühpensionierung) sorgen hier für Unmut. Dennoch erkennt selbst die Gewerkschaft ver.di an, dass sich die Arbeitswelt in 30 Jahren Telekom radikal gewandelt hat – und ohne Gegenwehr der Mitarbeitervertretungen wären die Einschnitte wohl noch härter ausgefallen.

Ein wirtschaftlicher Erfolg – mit Lerneffekten

Aus heutiger Sicht gilt die Privatisierung der Deutschen Telekom im wirtschaftlichen Sinne überwiegend als Erfolg. Das Unternehmen hat den Übergang vom Amtsbetrieb zum wettbewerbsorientierten Weltkonzern gemeistert. Es ist finanziell stark, global aufgestellt und treibt technologische Innovationen voran. Verbraucher profitieren von besserem Service, vielfältigen Angeboten und niedrigeren Preisen als zu Monopolzeiten. Auch für den Staat hat sich der Schritt gerechnet: Er wurde die Last der direkten Telekom-Investitionen los, konnte Milliarden erlösen und partizipiert noch immer über Dividenden am Unternehmenserfolg. Die damaligen Ziele – Modernisierung, Wettbewerbsfähigkeit, Marktöffnung – wurden größtenteils erreicht oder sogar übertroffen.

Dennoch fällt die Gesamtbilanz nicht unkritisch aus. Insbesondere der Börsenhype um die T-Aktie und der folgende Absturz gelten vielen als abschreckendes Beispiel. Hier hat die Politik Lehrgeld gezahlt: Künftige Privatisierungen sollten realistischer kommuniziert werden, um Privatanleger nicht blindlings ins Risiko zu locken. Ebenso zeigt der Fall Telekom, dass ein Teil-Verbleib des Staates im Unternehmen zwiespältig sein kann. Einerseits behält die öffentliche Hand Einfluss auf strategisch wichtige Infrastruktur – etwa um Grundversorgung oder Standortinteressen zu wahren. Andererseits entsteht ein Konflikt zwischen Gemeinwohl und Gewinnstreben. Die Telekom konnte sich möglicherweise auch dank stillschweigender Staatsloyalität lange Zeit überdurchschnittliche Gewinne am Heimatmarkt sichern. Für künftige Privatisierungen heißt das: Klare Rollenverteilung ist entscheidend. Entweder der Staat zieht sich wirklich zurück und vertraut auf Regulierung, oder er behält Anteile, dann aber mit transparenter Zielsetzung (z.B. als „Goldene Aktie“ für Vetorechte in kritischen Fragen). Ein Halbwegsmodell birgt Risiken von Lobbyismus und Wettbewerbsverzerrung.

Zugleich lehrt das Beispiel Telekom, wie wichtig Begleitmaßnahmen sind. Die Telekommunikation wurde von einer Regulierungsbehörde beaufsichtigt, die den Wettbewerb anschob – so etwas braucht es auch bei künftigen Privatisierungen in anderen Sektoren (etwa Energie, Bahn). Soziale Abfederung ist ein weiterer Punkt: Der sozialverträgliche Abbau tausender Stellen bei Telekom und Post kostete den Staat zunächst Geld (Abfindungen, Vorruhestand). Diese Kosten sollten einkalkuliert werden, denn Privatisierung bedeutet oft Umstrukturierung mit personellen Konsequenzen.

In Summe kann man festhalten: Die Telekom-Privatisierung war – allen Höhen und Tiefen zum Trotz – ein überwiegend wirtschaftlicher Erfolg. Sie hat ein ehemaliges Staatsmonopol in ein schlagkräftiges Unternehmen verwandelt, das im globalen Wettbewerb mithält. Allerdings wurden auch Fehler gemacht, aus denen man lernen sollte. Für zukünftige Privatisierungen in Deutschland lässt sich mitnehmen:

  • Realistische Zielsetzung und Kommunikation: Überzogener Optimismus (à la „Volksaktie wird sichere Geldanlage“) ist fehl am Platz. Bürger müssen Chancen und Risiken verstehen.
  • Staatliche Rolle klar definieren: Wenn der Staat verkauft, sollte er konsequent loslassen – außer es geht um kritische Infrastruktur, dann muss seine Rest-Beteiligung aber gut begründet und wettbewerbsneutral gestaltet sein.
  • Regulierung und Wettbewerb sicherstellen: Ein liberalisierter Markt braucht einen Schiedsrichter. Unabhängige Behörden müssen Missbrauch verhindern und notfalls korrigierend eingreifen – damit ein Ex-Monopolist nicht seine alte Dominanz auf neuen Märkten fortsetzt.
  • Erlöse sinnvoll nutzen: Die Telekom-Milliarden hat der Bund u.a. zur Schuldentilgung und für Zukunftsinvestitionen (Digitalisierung, Bahnnetz) eingesetzt. So sollte es sein: Privatisierungserlöse gehören zweckgerichtet in die Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur und nicht in kurzfristigen Konsum des Staates verpuffen.
  • Sozialverträglichkeit beachten: Der Übergang vom Beamtenapparat zum privatwirtschaftlichen Unternehmen ist machbar, erfordert aber Rücksicht auf die Belegschaft. Frühere Erfahrungen (Telekom, Post) bieten hier Blaupausen, wie man Personalumbau durch Tarifverträge und Abfindungen mildern kann – oder eben was passiert, wenn dies versäumt wird.

Fazit: Die Deutsche Telekom steht heute – rund 30 Jahre nach Beginn der Privatisierung – wirtschaftlich so stark da wie nie. Ihre Privatisierung wird von vielen als gelungen angesehen, auch wenn der Weg dorthin von Kritik und Kursverlusten begleitet war. Für künftige Privatisierungsvorhaben liefert dieses Beispiel sowohl Mut machende Erkenntnisse (dass ehemalige Staatsbetriebe im Markt erfolgreich sein können) als auch warnende Lektionen (über die Risiken von Hype, Interessenkonflikten und Vernachlässigung des Gemeinwohls). Damit ist die Geschichte der Telekom-Privatisierung mehr als nur ein Rückblick – sie ist ein Leitfaden für die Gestaltung zukünftiger öffentlich-privater Transformationen.

Quellen: Analyse basierend auf Presseberichten, Fachartikeln und Stellungnahmen (u.a. Tagesspiegel, Süddeutsche Zeitung, WiWo, Bundesfinanzministerium, DIW) sowie Aussagen von Beteiligten.