In den Vereinigten Staaten ist die Unterbringung von Abschiebekandidaten und Migranten längst nicht mehr alleinige Aufgabe des Staates. Seit den 1980er-Jahren sind private Anbieter wie CoreCivic und die GEO Group in diesem Bereich tätig – heute gehören sie zu den größten Betreibern sogenannter detention centers. Befürworter sprechen von Effizienz und Entlastung öffentlicher Strukturen, Kritiker warnen vor einem System, das sich wirtschaftlich rechne, aber ethische Fragen aufwerfe. Ein Blick auf das Modell und seine Folgen – auch mit Blick auf Europa.
Der Markt für Migrationshaft in den USA
Die US-Einwanderungsbehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) betreibt ein Netzwerk aus über 200 Einrichtungen zur Inhaftierung von Ausländern ohne legalen Aufenthaltsstatus. Etwa 60 dieser Einrichtungen wird von privaten Dienstleistern betrieben – allen voran die beiden börsennotierten Sicherheitsunternehmen CoreCivic und die GEO Group. Diese Unternehmen übernehmen nicht nur den Betrieb, sondern oft auch Bau, Verwaltung und teilweise Sicherheit. Bezahlt wird pro Insasse und Tag – über Verträge mit Bund, Bundesstaaten oder Kommunen.
Nach Angaben der Betreiber ermöglicht dieses Modell eine flexible Reaktion auf schwankende Kapazitätsbedarfe und eine standardisierte Qualitätssicherung. Vor allem im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) sehen sie sich als Ergänzung zum öffentlichen Vollzug.
Effizienz oder Intransparenz?
Aus Sicht der Betreiber bietet das private Modell Vorteile: schnellere Umsetzung, kosteneffiziente Strukturen und zusätzliche Investitionen in Infrastruktur. Auch die US-Regierung sieht in der Zusammenarbeit mit privaten Anbietern eine Möglichkeit, kurzfristige Kapazitätsengpässe bei Abschiebungen oder im Asylverfahren abzufedern – besonders bei politisch verschärften Migrationsregelungen.
Gleichzeitig mehren sich Stimmen, die auf strukturelle Probleme hinweisen. Menschenrechtsorganisationen und Journalistennetzwerke berichten über unzureichende medizinische Versorgung, überfüllte Unterkünfte oder eingeschränkten Zugang zu rechtlichem Beistand. Auch die Verknüpfung wirtschaftlicher Interessen mit dem Freiheitsentzug steht in der Kritik: Je mehr Personen festgehalten werden, desto höher der Umsatz.
Gerichte in mehreren Bundesstaaten haben sich mit dem Spannungsfeld zwischen staatlicher Verantwortung und privater Haft auseinandergesetzt. Zuletzt erklärte ein Bundesberufungsgericht ein Gesetz des Bundesstaats New Jersey für ungültig, das private Abschiebehaft verbieten wollte – mit Verweis auf Bundeszuständigkeiten.
Politischer Kurswechsel unter Beobachtung
Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden hatte zunächst angekündigt, keine neuen Verträge mit privaten Gefängnisbetreibern im Bereich der Strafhaft abzuschließen. Für die Einwanderungshaft galt dies nicht.
ICE-Verträge mit CoreCivic und GEO Group wurden zuletzt ausgeweitet – etwa in Texas und New Mexico. Seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump hat sich die Zahl der Abschiebegefängnisse auf etwa 200 knapp verdoppelt. Auch die Zahl der von der Grenzschutzpolizei inhaftierten Migranten hat sich seit Anfang des Jahres um rund die Hälfte zum Vorjahr erhöht.
Was heißt das für Europa?
Die Frage, ob sich bestimmte Aufgaben des Staates – etwa die Inhaftierung von Menschen im Migrationsverfahren – an private Betreiber auslagern lassen, stellt sich im Rahmen einer modernen Staatsführung auch in Europa. Bisher ist das Modell in der EU kaum verbreitet. In Deutschland ist der Freiheitsentzug ausschließlich staatlichen Stellen vorbehalten. In Großbritannien gibt es hingegen private Haftzentren, etwa für Asylsuchende.
Die Debatte in den USA zeigt die Spannbreite möglicher Auswirkungen: Während sich strukturelle Effizienzgewinne erzielen lassen, bedarf es klarer Regeln, öffentlicher Kontrolle und unabhängiger Überwachung, um rechtsstaatliche Standards zu wahren.
Die Diskussion über Kosten, Kontrolle und Verantwortung ist komplex – und wird auch in Europa aufmerksamer beobachtet. Entscheidend ist letztlich nicht die Trägerschaft, sondern die Einhaltung menschenrechtlicher Standards, die Transparenz des Systems – und die politische Verantwortung für Entscheidungen über Inhaftierung und Abschiebung.