Analysen

Der Staat, in privater Rechtsform organisiert: Zweck, Vorteile, Risiken und Fallbeispiele

Bund, Länder und Kommunen lagern zunehmend öffentliche Aufgaben in privatrechtliche Organisationsformen aus – oft Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) oder Aktiengesellschaften (AG). Diese Unternehmen bleiben zwar im Eigentum der öffentlichen Hand, erfüllen aber öffentliche Aufgaben auf privatwirtschaftlicher Rechtsgrundlage. Ein Beispiel: Die Autobahn GmbH des Bundes.

Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig: Häufig verspricht man sich eine professionellere und effizientere Aufgabenerledigung, weniger Bürokratie und mehr Handlungsspielraum. Mit diesen Argumenten wurde zum Beispiel 2021 die Autobahn GmbH des Bundes gegründet, um die zuvor zersplitterte Zuständigkeit der 16 Länder für Autobahnen zu zentralisieren – in der Hoffnung auf schnellere Planungen, effizientere Bauprozesse und bessere Koordination.

Ein anderes Motiv ist das Umgehen rechtlicher Beschränkungen: In Berlin etwa wurde die landeseigene Wohnungsbau-GmbH Howoge in die Schulbauoffensive eingebunden, um trotz Schuldenbremse neue Schulen finanzieren zu können. Als privatrechtliche GmbH unterliegt die Howoge nicht der starren Kreditobergrenze des Landeshaushalts; ihre Kreditaufnahme richtet sich nur nach Wirtschaftlichkeit. Durch diese Auslagerung in ein Unternehmen konnte der Senat dringend nötige Investitionen tätigen, die im Kernhaushalt wegen der Schuldenbremse nicht möglich gewesen wären. Insgesamt zeigt sich als Ziel solcher Gründungen, öffentliche Aufgaben “aus einer Hand” zu erledigen und die „Fesseln“ des öffentlichen Rechts etwas abzustreifen, um handlungsfähiger zu werden. Dieses Phänomen wird in der Verwaltungswissenschaft treffend als “Flucht aus dem öffentlichen Recht” bezeichnet – gemeint ist, dass die komplexen und umständlichen Vorschriften des öffentlichen Dienst- und Haushaltsrechts umgangen werden, indem man Aufgaben auf eine privatrechtliche Einheit verlagert.

Vorteile für Staat und Verwaltung

Aus Sicht von Staat, Verwaltung und Politik bieten solche ausgelagerten Gesellschaften eine Reihe von Vorteilen:

  • Größere Flexibilität und Geschwindigkeit: Privatrechtliche Unternehmen können oft schneller entscheiden und handeln. Ihre Geschäftsführung ist nicht an jede detailreiche Verwaltungsordnung gebunden. Bei Infrastrukturprojekten kann z.B. ein Generalunternehmer beauftragt werden, ohne die kleinteilige Losaufteilung, die die öffentliche Hand zur Mittelstandsförderung durchführen müsste. Diese Entbürokratisierung erlaubt es, Projekte zügiger umzusetzen. Beispiel: Die Autobahn GmbH soll Autobahnbaustellen schneller realisieren, indem sie Planungs- und Baukompetenzen bündelt – anstatt langer Abstimmungen zwischen Bundesländern gibt es nun einen zentralen Akteur.
  • Unabhängigkeit vom Haushaltsjahr und Schuldenbremse: Ein großer Vorteil ist der finanzielle Gestaltungsspielraum. Unternehmen können Gewinne in Rücklagen übertragen, Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen und langfristig planen, was Kameralhaushalte der öffentlichen Hand nur eingeschränkt zulassen. Wie das Beispiel Berlin zeigt, lassen sich über eine GmbH Investitionen tätigen, ohne die Schuldenbremse direkt zu verletzen – die Howoge kann Milliardenkredite für Schulbauten aufnehmen, da für sie keine fixe Schuldengrenze gilt. Städte und Länder nutzen solche Gesellschaften als Instrument, um trotz Haushaltsrestriktionen dringend nötige Vorhaben zu finanzieren.
  • Flexiblere Personalpolitik: In ausgelagerten Unternehmen gelten nicht automatisch die starren Regeln des öffentlichen Dienstrechts. Mitarbeiter sind keine Beamte, sondern Angestellte nach Arbeitsrecht – das ermöglicht z.B. flexiblere Arbeitszeiten, Leistungsprämien und vor allem andere Gehaltsstrukturen. Viele solcher Gesellschaften treten bewusst aus dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) aus, um konkurrenzfähige Löhne zahlen zu können. So hat sich der Bund bei Gründung der Autobahn GmbH bewusst vom TVöD verabschiedet. Die Hoffnung: Hochqualifizierte Fachkräfte (z.B. Ingenieure oder IT-Personal) lassen sich mit höheren Gehältern und Boni gewinnen, als dies im klassischen Beamtenapparat möglich wäre. Die Autobahn GmbH zahlt ihren Beschäftigten tatsächlich deutlich höhere Vergütungen als vergleichbares Bundespersonal – inklusive eines vollen 13. Monatsgehalts – was aus Sicht der Unternehmensführung nötig war, um Personal aus den Landesbehörden zu übernehmen und neue Fachkräfte zu rekrutieren.
  • Unternehmerische Betriebsführung: Ein Unternehmen kann wirtschaftlicher agieren und effizienter arbeiten – so zumindest die Annahme. Es gelten handelsrechtliche Buchführungsvorschriften, was eine klarere Kalkulation von Kosten und Leistungen ermöglicht. Gewinne können reinvestiert werden. Die politische Einflussnahme auf das Tagesgeschäft ist geringer, was schnellere Entscheidungen und Innovation begünstigen soll. Beispielsweise wurde die Rechtsform GmbH bei der Autobahn GmbH bewusst gewählt, “weil dieser dadurch gute Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten hat. Darüber hinaus kann der Bund so wirtschaftlicher arbeiten.” Ähnlich argumentiert man in Kommunen: Stadtwerke in GmbH-Form oder Ausgliederungen wie Klinik-gGmbHs sollen betriebswirtschaftliche Expertise einbringen und Dienstleistungen kundenorientierter erbringen als es ein Behördenbetrieb könnte.
  • Umgehung von Vergabezwängen durch Inhouse-Vergabe: Öffentliche Auftraggeber dürfen Aufträge an eigene Gesellschaften vergeben, ohne EU-weit auszuschreiben, wenn bestimmte Inhouse-Kriterien erfüllt sind. Die Gründung eigener Unternehmen ermöglicht es Kommunen, Leistungen selbst zu erbringen statt sie ausschreiben zu müssen. Zum Beispiel können Städte die Müllabfuhr oder Grünanlagenpflege an eine 100% kommunale GmbH übertragen und so privaten Wettbewerb in diesem Bereich vermeiden, solange die GmbH im Wesentlichen für die öffentliche Hand arbeitet. Dies wird genutzt, um Daseinsvorsorge in öffentlicher Regie zu behalten, allerdings im Gewand eines Unternehmens.
  • Politischer Vorteil und Expertisebündelung: Die Politik schätzt oft, dass solche Gesellschaften Projekte konzentriert vorantreiben können, während die normale Verwaltung überlastet ist. In Berlin wurde etwa die InfraVelo GmbH (Tochter der Grün Berlin) gegründet, um den Radwegebau zu beschleunigen – hier bündelt ein kleines Team von Experten die Planung von Radinfrastruktur, losgelöst von langen Verwaltungswegen. Auch die Grün Berlin GmbH wird vom Senat gelobt, weil sie komplexe Bauprojekte (Parks, Seilbahn, Spreepark) überhaupt angeht: “Gut, dass die Grün Berlin baut, sonst würde gar nichts passieren”, sagte einst Berlins Umwelt-Staatssekretärin Britta Behrend. “Das Unternehmen setzt um, was der öffentlichen Hand nicht möglich sei.”. Dieses Zitat zeigt die politische Sicht: Die ausgelagerte Gesellschaft wird als flexibel einsetzbares Werkzeug gesehen, um Ziele zu erreichen, an denen die reguläre Verwaltung (mangels Ressourcen oder wegen Vorschriften) scheitern würde.

Nachteile und Risiken für Demokratie und Steuerzahler

Bürger, Parlamente und Steuerzahler betrachten diese Entwicklung auch kritisch. Privatrechtliche Organisationsformen für öffentliche Aufgaben bringen eine Reihe von Nachteilen und Risiken mit sich:

  • Transparenzverlust und demokratische Kontrolle: Ein zentrales Problem ist die geringere Transparenz solcher Unternehmen. Sie unterliegen nicht direkt dem parlamentarischen Budgetrecht oder der öffentlichen Rechenschaftspflicht, sondern nur indirekt über Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat. Informationen können verweigert werden mit Verweis auf Geschäftsgeheimnisse. Bei der landeseigenen Grün Berlin GmbH zeigte sich etwa, dass Anfragen von Bürgern oder Abgeordneten zu Projektkosten einfach mit Verweis auf das Betriebsgeheimnis abgeblockt werden können. Die Kontrolle erfolgt dann lediglich über die Regierung (die als Gesellschafter agiert), “nicht über das Parlament”. Dieses Umgehen der üblichen Kontrollmechanismen führt dazu, dass gewählte Volksvertreter weniger Einblick und Einfluss haben. So musste erst das Bundesverfassungsgericht 2017 klarstellen, dass die Bundesregierung Fragen des Bundestags zu einer 100% bundeseigenen AG (der Deutschen Bahn) nicht mit Hinweis auf gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten verweigern darf – ein rein staatliches Unternehmen kann sich nicht auf Grundrechte wie Geschäftsgeheimnisse berufen. Dennoch bleibt in der Praxis vieles intransparent: Entscheidungen fallen in Geschäftsführungen hinter verschlossenen Türen, weitgehend entzogen von öffentlicher Debatte.
  • Erosion von Verantwortung und Einfluss: Kritiker sprechen von einer Demokratielücke. Wenn öffentliche Aufgaben an rechtlich verselbständigte Firmen abgegeben werden, “verliert der Staat Einflussmöglichkeiten”, wie Carl Waßmuth (Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand) am Beispiel der Howoge kritisiert: “Wir haben keinen Zugriff, wir kriegen am Ende nur die Rechnung.” Selbst wenn die öffentliche Hand 100% Eigentümer ist, agiert das Unternehmen faktisch eigenständig. Entscheidungen werden von Geschäftsführern und Manager*innen getroffen, die nicht direkt dem Wählerwillen unterstehen. Die parlamentarische Kontrolle über Unternehmensentscheidungen (z.B. bei Tarifgestaltungen, Investitionsentscheidungen oder Standortschließungen) ist eingeschränkt. In Untersuchungsausschüssen – wie etwa zum BER-Flughafen – wurde deutlich, dass politisch besetzte Aufsichtsräte Probleme oft zu spät erkennen und ihre Kontrollfunktion nicht effektiv ausüben. Dieses Auseinanderfallen von Verantwortung (bei der Firma) und Haftung (letztlich beim Staat bzw. Steuerzahler) birgt demokratie- und haushaltspolitische Risiken.
  • Wirtschaftliche Risiken und “Schattenhaushalte”: Die finanzielle Unabhängigkeit der Unternehmen kann zu fehlender Ausgabenkontrolle führen. Projekte werden teurer als geplant, ohne dass frühzeitig öffentlich Alarm geschlagen wird. Bei Grün Berlin haben sich z.B. die Kosten einiger Prestigeprojekte (Spreepark, Seilbahn) verdreifacht – vom ursprünglichen Budget etwa auf das Doppelte oder Dreifache. Gleichzeitig genehmigte die Firma hohe Managergehälter und Boni. Katalin Gennburg (Mitglied des Abgeordnetenhauses) bemängelte in einer Anhörung, dass die Geschäftsführervergütung bei Grün Berlin binnen 8 Jahren um 56% auf 223.000 € stieg – während die Öffentlichkeit nur begrenzt Einblick in diese Praktiken hat. Die Liste an Kritikpunkten ist lang: “Verdreifachte Kosten, erhöhte Spitzengehälter, Prestigeprojekte ohne großen Nutzen für Berlinerinnen”. Für Steuerzahler besteht das Risiko, am Ende die Verluste ausgleichen zu müssen, ohne dass sie vorher mitreden konnten. Hidden debt in ausgelagerten Einheiten kann die Haushaltslage verschleiern, bis plötzlich hohe Zahlungsverpflichtungen auftauchen.
  • Verdrängung des freien Marktes: Staatliche Unternehmen, die in privatrechtlicher Form organisiert sind, können durch ihre starke Kapitalbasis und die Rückendeckung der öffentlichen Hand privatwirtschaftliche Anbieter aus dem Markt drängen. Sie treten nicht selten in Bereichen auf, in denen auch private Unternehmen aktiv sind – etwa im Bau, in der Grünpflege, bei Dienstleistungen oder im Energiemarkt. Kritiker monieren, dass diese Gesellschaften aufgrund gesicherter Finanzierung, politischer Unterstützung und faktischer Verlustübernahme durch den Staat einen unfairen Wettbewerbsvorteil haben. Private Firmen verlieren dadurch Aufträge, oder sie können sich in Ausschreibungen kaum behaupten, weil die öffentliche Gesellschaft nicht zwingend kostendeckend arbeiten muss. Dies führt zu Marktverzerrungen und hemmt Innovations- wie Effizienzanreize in der Privatwirtschaft. Besonders Handwerksbetriebe und mittelständische Bauunternehmen sehen in solchen Konstruktionen eine Gefahr für faire Konkurrenz, da staatliche Unternehmen nicht denselben Risiken ausgesetzt sind wie private Marktteilnehmer.
  • Umgehung von Tarifstandards und Arbeitnehmerrechten: Aus Bürger- und Mitarbeiterperspektive bedeutet die Auslagerung oft, dass Tarifbindung und Beamtenstatus aufgeweicht werden. Zwar können höhere Löhne gezahlt werden, doch gleichzeitig entfällt für Beschäftigte der Schutz des Beamtenrechts (etwa Unkündbarkeit) oder die Anwendung des TVöD. Neue Arbeitsverträge können auch verschlechterte Konditionen bringen, wenn der Arbeitgeber sparen will. Zudem fehlt mitunter die übliche Personalvertretung: Ein Beispiel ist wiederum Grün Berlin – die GmbH hatte lange keinen richtigen Betriebsrat, sondern nur eine “Mitarbeitervertretung”, was von Gewerkschaften als Umgehung der Mitbestimmung kritisiert wurde (dieser Aspekt zeigt, dass auch Beschäftigte in solchen Firmen bisweilen schlechter gestellt sind als im öffentlichen Dienst). Auch Streiks werden wahrscheinlicher: Beamte dürfen nicht streiken, Arbeitnehmer in ausgegliederten Betrieben schon – das kann die Kontinuität öffentlicher Leistungen gefährden (ein Gedankenbeispiel: Wären alle Autobahnmeisterei-Beschäftigten Beamte geblieben, könnte es keine Streiks geben; als Angestellte einer GmbH könnten sie jedoch streiken, was die Autobahn-Bewirtschaftung beeinträchtigen würde).
  • Gewinnorientierung vs. Gemeinwohl: Privatrechtliche Unternehmen unterliegen dem Druck der Wirtschaftlichkeit. Selbst wenn sie kommunale Daseinsvorsorge leisten, kann ein Konflikt zwischen Gewinninteressen und Gemeinwohlzielen entstehen. Beispielsweise werden bei Grün Berlin touristische Projekte mit Eintrittspreisen gefördert, während bezirkliche Grünflächenämter knapp bei Kasse sind. Kritiker monieren, die Firma verfolge Prestigebauten, statt überall grundlegende Versorgung zu sichern – eine “Liegewiese wird zur Klassenfrage”, wenn öffentliche Parks vernachlässigt werden und nur zahlungspflichtige Attraktionen glänzen. Generell besteht das Risiko, dass öffentliche Unternehmen sich zu sehr wie private Marktakteure verhalten (Fokus auf Rentabilität, Expansion in andere Geschäftsfelder) und der eigentliche öffentliche Auftrag verwässert wird.
  • Mögliche Privatisierung auf Raten: Schließlich befürchten Bürgerrechtsinitiativen, dass solche Ausgliederungen ein Einfallstor für echte Privatisierungen sind. Ist eine öffentliche Aufgabe erst einmal in eine GmbH überführt, lässt sich später leichter ein Teil der Anteile an private Investoren verkaufen oder ein PPP-Modell etablieren. Im Falle der Autobahn GmbH wurden anfangs Stimmen laut, der Bund bereite damit eine Teilprivatisierung der Infrastruktur vor – offiziell wurde dem mit gesetzlichen Verboten begegnet, doch das Misstrauen bleibt. In Berlin deutete Staatssekretär Torsten Kühne sogar an, man könne sich künftig Privatinvestoren beim Schulbau vorstellen, da PPP-Modelle aus seiner Sicht zu Unrecht einen schlechten Ruf haben. Solche Aussagen schüren die Sorge, dass aus einer formalen Privatisierung (Organisationsprivatisierung) schrittweise eine materielle Privatisierung werden kann, bei der private Dritte Profit aus ehemals öffentlichen Kernaufgaben ziehen.

Öffentlich oder faktisch privatisiert?

Ein wichtiger Diskussionspunkt ist, inwieweit diese ausgegliederten Unternehmen noch als öffentliche Unternehmen gelten oder ob sie de facto privatisiert sind. Formaljuristisch sind sie Teil des öffentlichen Sektors, sofern die öffentliche Hand Mehrheitsgesellschafter ist. So ist die Autobahn GmbH eine hundertprozentige Bundesgesellschaft, die Grün Berlin GmbH gehört zu 100% dem Land Berlin, und auch die Deutsche Bahn AG ist vollständig in Bundeseigentum. Insofern handelt es sich nicht um materielle Privatisierungen – keine öffentlichen Vermögenswerte wurden an Private verkauft. Vielmehr sprechen Experten von einer formellen oder organisatorischen Privatisierung: Der Staat kleidet sich in die Rechtsform des Privatrechts, behält aber vorerst das Eigentum.

Allerdings wird dieser Status unterschiedlich bewertet. Kritiker wie Waßmuth betonen, dass schon die Verlagerung der Aufgabenerfüllung in ein privatrechtliches Konstrukt einen Akt der Privatisierung darstellt – nämlich einen Kontroll- und Verantwortungsverlust der öffentlichen Hand. Er nennt die Kooperation mit der Howoge im Schulbau “eine Privatisierung, die nicht Privatisierung genannt werden darf”, weil das Land die Verantwortung an ein Unternehmen abgebe, “wenn auch in öffentlicher Hand”. Hier schwingt mit, dass öffentliche Aufgaben „entstaatlicht“ werden: Die Bürger haben keinen direkten Anspruch mehr gegen eine Behörde, sondern allenfalls vertragliche Ansprüche gegen eine GmbH; politische Gremien entscheiden nicht mehr unmittelbar, sondern über Aufsichtsräte. In diesem Sinne fühlt es sich für viele so an, als seien die Aufgaben dem öffentlichen Zugriff entzogen – faktisch privatisiert, auch wenn kein Verkauf stattfand.

Die Regierungsperspektive ist hingegen: Diese Unternehmen bleiben öffentliche Unternehmen und sind ein Instrument, um öffentliche Ziele effizienter zu erreichen. Offizielle Vertreter wehren den Vorwurf der Privatisierung oft entschieden ab. So betonte Staatssekretär Kühne in Berlin, das Howoge-Modell sei “kein Public-Private-Partnership-Modell”, sondern eine Konstruktion innerhalb des öffentlichen Sektors. Weil die Howoge “zu 100 Prozent in Landeshand” liege, könne der Senat umfangreich Einfluss auf die Geschäftstätigkeit ausüben, und die Gesellschaft unterliege strengen vergaberechtlichen Vorgaben wie jede öffentliche Stelle. Ähnlich wurde bei der Autobahnreform gesetzlich festgelegt, dass die Autobahn GmbH nicht ohne weiteres privatisiert werden darf, um Befürchtungen entgegenzuwirken. Zudem sind solche Unternehmen in der Regel im Haushalts- oder Beteiligungsrecht verankert, d.h. die öffentliche Hand muss z.B. über einen Beteiligungsbericht an Parlament und Rechnungshof Bericht erstatten.

Insgesamt kann man sagen: Eigentumsrechtlich sind diese Unternehmen öffentlich, aber steuerungs- und wahrnehmungsmäßig weisen sie Züge der Privatwirtschaft auf. Sie stehen gewissermaßen “mit einem Bein” außerhalb der klassischen Verwaltung. Ob man das als sinnvolle Verstaatlichung im modernen Gewand oder als gefährliche Privatisierung durch die Hintertür bewertet, hängt vom Einzelfall und politischem Standpunkt ab. Entscheidend ist, welche Kontrollmechanismen bestehen. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass der Staat sich seiner Verantwortlichkeit nicht entledigen darf, nur weil er eine AG gründet – die Informations- und Prüfrechte müssen angepassterweise erhalten bleiben. In der Praxis kommt es also darauf an, dass Parlamente und Öffentlichkeit auch bei ausgegliederten Einheiten mitreden und eingreifen können, damit diese öffentliche Unternehmen im eigentlichen Sinne bleiben.

Rechtliche und strukturelle Unterschiede zur Behörde

Die beschriebenen Konstrukte unterscheiden sich in rechtlicher und struktureller Hinsicht erheblich von klassischen Behörden. Die wichtigsten Unterschiede sind:

  • Rechtsform und Rechtsgrundlage: Behörden handeln auf Grundlage des öffentlichen Rechts (Verwaltungsakt, Satzungen, Gesetze) und sind Teil der Körperschaft (Bund/Land/Kommune). Demgegenüber sind GmbH/AG juristische Personen des Privatrechts, unterliegen dem Gesellschaftsrecht (GmbH-Gesetz, Aktiengesetz) und treten zivilrechtlich auf (Verträge statt Verwaltungsakte). Hoheitliche Eingriffe (z.B. Genehmigungen, Verbote, Polizeigewalt) dürfen sie nicht vornehmen. Deshalb müssen häufig zusätzliche Behörden erhalten oder geschaffen werden, um souveräne Aufgaben abzudecken – Beispiel: Neben der Autobahn GmbH existiert das neue Fernstraßen-Bundesamt (FBA), das Planfeststellungen und Anhörungen als hoheitliche Instanz durchführt, da die GmbH keine Verwaltungsakte erlassen kann. Die GmbH kümmert sich hingegen um Betrieb, Bau und Verwaltung der Autobahnen rein auf Vertragsbasis.
  • Eigentümersteuerung vs. Hierarchie: In der Verwaltung gibt es einen Ministerial- oder Behördenhierarchie, in der politische Weisungen direkt nachgeordnete Ämter erreichen. Bei einem Unternehmen gibt es Gesellschafterrechte und Aufsichtsräte. Die öffentliche Hand nimmt Einfluss als Eigentümer, z.B. durch Gesellschaftsversammlungen, durch Entsendung von Vertretern in den Aufsichtsrat und durch sogenannte Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge in manchen Fällen. Diese Steuerungsform ist indirekter und oft langsamer als ein Ministerialerlass an ein Amt. Zudem sitzen in Aufsichtsräten häufig auch externe Fachleute oder Arbeitnehmervertreter, die eigene Perspektiven einbringen. Das kann professioneller sein, führt aber zu anderen Entscheidungsprozessen. Ein Stadtrat kann z.B. nicht direkt anordnen, dass die städtische GmbH ein defizitäres Bad weiterbetreibt – er kann nur den Aufsichtsratsmitgliedern entsprechende Weisungen mitgeben oder politische Vereinbarungen treffen. Die Verantwortungsketten werden länger und schwerer durchschaubar.
  • Haushaltsrecht und Rechnungslegung: Behörden unterliegen dem öffentlichen Haushaltsrecht (Kameralistik, Haushaltsordnung). Ihre Einnahmen und Ausgaben sind detailliert im öffentlichen Haushalt veranschlagt und vom Parlament bewilligt; Überschreitungen oder Kredite erfordern Genehmigungen. Privatrechtliche Unternehmen dagegen führen Kaufmannsbücher (Doppik nach HGB) und erstellen Jahresabschlüsse. Sie dürfen Kredite aufnehmen, Immobilien kaufen oder langfristige Verträge schließen ohne unmittelbaren Parlamentsbeschluss – solange sie solvent bleiben. Verluste können über Rücklagen oder Kredite eine Weile kaschiert werden, ohne dass sofort ein Nachtragshaushalt nötig wäre. Dadurch entsteht ein “Schattenhaushalt” neben dem Kernhaushalt. Zwar müssen größere Investitionen oder Zuschüsse oft vom Gesellschafter (also der öffentlichen Hand) abgesegnet werden, doch die laufende Wirtschaftsführung entzieht sich der täglichen politischen Kontrolle. Auch der Rechnungshof prüft zwar häufig auch öffentliche Unternehmen, aber in längeren Abständen und ex post. Das Ergebnis: finanzielle Probleme oder Ineffizienzen werden oft später erkannt als in der direkten Verwaltung. Gleichzeitig haben die Unternehmen aber auch mehr finanzielle Freiheiten, können Rückstellungen bilden und wirtschaftlich planen.
  • Personalrecht und Tarifbindung: Der Personalstatus ist ein wesentlicher Unterschied. In klassischen Behörden gibt es Beamte (mit besonderen Pflichten und Rechten, Streikverbot, Besoldungstabellen) und Tarifangestellte im öffentlichen Dienst (TVöD/TV-L). In ausgegliederten Gesellschaften gibt es keine Beamten; alle Mitarbeiter sind normale Arbeitnehmer. Oft gelten eigene Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen. Die Autobahn GmbH z.B. hat einen Haustarifvertrag und zahlt – wie berichtet – ein 13. Monatsgehalt und teils höhere Löhne. Eine Kommune kann durch die Rechtsform GmbH entscheiden, ob sie den TVöD anwenden will oder nicht. Das ermöglicht leistungsorientierte Bezahlung, aber auch das Abweichen nach unten. Zudem gelten die arbeitsrechtlichen Standards der Privatwirtschaft (Kündigungsschutzgesetz, Betriebsverfassungsgesetz). Ein Betriebsrat vertritt die Belegschaft, gegebenenfalls gibt es eine paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat (bei größeren Unternehmen nach dem MitbestG). Das ist ein anderes System als die Personalräte im öffentlichen Dienst. Insgesamt erlaubt dies dem Management freiere Hand bei Einstellungen, Entlohnung und organisatorischen Umstrukturierungen – allerdings um den Preis, dass öffentlich-rechtliche Beschäftigtengarantie und Besoldungsvorschriften nicht mehr greifen.
  • Transparenz und Öffentlichkeitsprinzip: Behörden sind prinzipiell dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bzw. Transparenzgesetzen unterworfen; ihre Akten können eingesehen werden, und sie müssen auf Anfragen antworten (von Ausnahmen abgesehen). Bei einer GmbH/AG gilt das IFG nur eingeschränkt oder gar nicht, da sie keine Behörde ist. Vieles läuft als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. Wie erwähnt, konnten Grün Berlin und Co. konkrete Nachfragen zu Kosten mit Verweis auf vertrauliche Geschäftsangelegenheiten ablehnen. Selbst parlamentarische Anfragen müssen erst über die Regierung an die Unternehmen herangetragen werden, was zu Verzögerungen oder filterten Informationen führt. Öffentlich tagende Gremien wie Stadtrat oder Ausschüsse haben weniger Einblick – viele Diskussionen verlagern sich in den nichtöffentlichen Teil der Aufsichtsrats- oder Gesellschaftersitzungen. Transparenz ist damit deutlich reduziert. Erst bei größeren Skandalen (z.B. BER-Flughafen) kommt es zu Untersuchungen, die die Öffentlichkeit im Nachhinein informieren. Dieser Unterschied im Öffentlichkeitsprinzip ist einer der Hauptkritikpunkte aus demokratietheoretischer Sicht.
  • Vergabe- und Wettbewerbsrecht: Trotz privatrechtlicher Form unterliegen öffentliche Unternehmen in der Regel dem Vergaberecht, solange sie vom Staat beherrscht werden und öffentliche Aufträge ausführen. Sie gelten als “öffentliche Auftraggeber” im Sinne des Gesetzes. Das heißt, Beschaffungen durch z.B. eine Stadtwerke-GmbH müssen ab bestimmten Schwellenwerten europaweit ausgeschrieben werden. Allerdings können die internen Abläufe flexibler sein, und EU-Vorgaben erlauben auch Inhouse-Vergaben (die öffentliche Hand kann ihrer eigenen GmbH direkt einen Auftrag erteilen, ohne Ausschreibung, wenn gewisse Kriterien erfüllt sind). Gegenüber klassischen Behörden können Unternehmen außerdem am Markt auftreten: Sie dürfen sich an Ausschreibungen anderer öffentlicher Auftraggeber beteiligen oder Dienstleistungen auch an Dritte verkaufen. Das führt zu der manchmal paradoxen Situation, dass kommunale GmbHs mit Privaten konkurrieren (Stadtwerk tritt auf Energiemarkt auf), gleichzeitig aber dem Vergaberegime unterliegen, sobald sie selbst etwas einkaufen. Insgesamt ist das Wirtschaftsrecht für diese hybriden Akteure komplex, aber es gilt: Im Vergleich zur Behörde haben sie etwas mehr Spielraum bei Vertragsgestaltungen, Kooperationen oder Beteiligungen, bewegen sich aber weiterhin in einem regulierten Rahmen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

Fallbeispiele aus Bund, Ländern und Kommunen

Im Folgenden werden einige konkrete Fallbeispiele betrachtet, die die obige Analyse veranschaulichen. Diese Beispiele zeigen, warum solche Ausgründungen vorgenommen wurden und welche Erfahrungen man damit gemacht hat:

Autobahn GmbH des Bundes

Kontext: Die Autobahn GmbH wurde zum 1. Januar 2021 gegründet, um Planung, Bau, Betrieb und Erhalt der ~13.000 km Autobahnen in Deutschland vom Bund zentral steuern zu lassen. Zuvor lag die Verantwortung zersplittert bei den Bundesländern. Die Gründung erforderte eine Grundgesetzänderung und war politisch umstritten. Die Rechtsform GmbH (mit 100% Bund als Gesellschafter) wurde gezielt gewählt, weil der Bund sich dadurch eine effizientere, unternehmerische Aufgabenerfüllung versprach. Die Ziele waren: Einheitliche Standards und schnellere Planfeststellungen (ein neu geschaffenes Fernstraßen-Bundesamt übernimmt hoheitliche Genehmigungen), zügigere Bautätigkeit (Ende des föderalen Flickenteppichs) sowie wirtschaftlicherer Mitteleinsatz durch zentrale Bündelung.

Erwartete Vorteile: Mit der GmbH konnte der Bund 13.000 Beschäftigte aus 16 Landesverwaltungen übernehmen und nach einheitlichen Regeln einsetzen. Man verabschiedete sich bewusst vom Tarif des öffentlichen Dienstes, um eigene Entgeltsysteme zu schaffen. Dadurch sollten z.B. dringend gesuchte Ingenieure gehalten oder angeworben werden – mit besseren Gehältern und Leistungsboni. Auch die Beschaffung und IT sollten vereinheitlicht und modernisiert werden. Insgesamt hoffte man, dass Investitionen in Autobahnen schneller und effektiver fließen, um z.B. marode Brücken schneller zu sanieren (eine “Brücken-Task-Force” wurde eingerichtet, mit dem Ziel 400 Brücken jährlich zu erneuern, doppelt so viele wie zuvor). Ein zentrales Unternehmen erschien hierfür besser geeignet als die langsame Abstimmung zwischen Bundesländern.

Aufgetretene Probleme: Die Autobahn GmbH hatte einen holprigen Start. Anfangs gab es IT- und Verwaltungsprobleme – Rechnungen an Baufirmen blieben liegen, Zahlungen verzögerten sich um Monate. Viele Abläufe mussten sich erst finden. Kritiker bemängeln zudem einen Mangel an Transparenz: Bürger und Medien berichteten, dass die Kommunikation teils schleppend und “verschwurbelt” sei (siehe z.B. Aachener Zeitung vom 31.7.2023: “Die Autobahn GmbH darf nicht verschwurbeln und verschweigen!”). Ein großer Streitpunkt wurden die Personalkosten: Der Bundesrechnungshof stellte 2025 fest, dass die Autobahn GmbH flächendeckend höhere Gehälter und Boni zahlt als vergleichbare Bundesbedienstete – “oft ohne ersichtlichen Grund”. Beispielsweise erhalten die Beschäftigten ein volles 13. Monatsgehalt (Kosten: +10 Mio. € jährlich) und in Einzelfällen erfolgten exorbitante Höhergruppierungen (ein übernommener Mitarbeiter wurde sieben Entgeltgruppen höher eingestuft, +25.000 € jährlich). Auch wurden Umweltziele verfehlt, aber Boni dennoch ausgezahlt, was 8,6 Mio. € extra kostete. Der Rechnungshof monierte, die bewusste Abkehr vom TVöD entbinde nicht von der Pflicht zur Wirtschaftlichkeit. Parlamentarier warnten, die Autobahn GmbH dürfe “nicht zu einem Selbstbedienungsladen verkommen”. Diese Kritik zeigt den Zielkonflikt: Zwar war höheres Gehalt ein Mittel zur Flexibilisierung, doch ohne die Fesseln des Besoldungsrechts besteht das Risiko ungezügelter Gehaltssteigerungen auf Staatskosten. Die politische Kontrolle über solche Vorgänge erwies sich als schwierig – letztlich musste der Haushaltsausschuss über den Rechnungshofbericht Druck auf das Verkehrs- und Finanzministerium ausüben, damit diese auf das Unternehmen einwirken. Insgesamt ist die Bilanz gemischt: Sachlich hat die GmbH den Betrieb übernommen und einige Verbesserungen (etwa eine bundesweite Autobahn-App für Verkehrsinformationen) eingeführt. Strukturell jedoch sind noch Altlasten wie parallele Strukturen (die bundeseigene DEGES GmbH läuft weiter, da eine Fusion rechtlich kompliziert ist) vorhanden. Die erhoffte volle Zentralisierung ist also verzögert. Die Autobahn GmbH illustriert sowohl die Chancen (einheitliche, schlagkräftige Organisation) als auch die Probleme (Kostenkontrolle, Transparenz) einer Bundes-GmbH.

Grün Berlin GmbH

Kontext: Die Grün Berlin GmbH ist ein landeseigenes Unternehmen des Landes Berlin, das seit über 25 Jahren Projekte im Bereich Stadtentwicklung, Parks und Infrastruktur umsetzt. 100% der Anteile liegen beim Land. Ursprünglich aus der Landesgartenschau-Gesellschaft hervorgegangen, betreibt und entwickelt Grün Berlin heute u.a. den Park am Gleisdreieck, die Gärten der Welt in Marzahn (inklusive Seilbahn), das Tempelhofer Feld sowie zukünftige Großprojekte wie den Spreepark (ehem. DDR-Vergnügungspark) in Treptow. Die Gesellschaft fungiert als Projektentwickler und -träger: Sie plant, baut und bewirtschaftet öffentliche Freiflächen und Anlagen, oft mit besonderem Erlebnis- oder Tourismuswert. Dafür erhält sie Landesmittel, generiert aber auch eigene Einnahmen (Eintrittsgelder, Pachterlöse etc.).

Vorteile und Zweck: Das Land Berlin nutzt Grün Berlin, um komplexe Vorhaben außerhalb der Routine der Bezirksämter voranzutreiben. Beispiele sind die erfolgreiche Umsetzung der Internationalen Gartenausstellung 2017 (Gärten der Welt) oder die laufende schrittweise Wiedereröffnung des Spreeparks. Die Expertise des Unternehmens in Bau- und Projektmanagement wird als wertvoll erachtet, um stadtweite Leuchtturmprojekte zu realisieren. Die Aussage der Umweltverwaltung “sonst würde gar nichts passieren” verdeutlicht, dass man Grün Berlin als Instrument gegen Verwaltungsstillstand sieht. Tatsächlich hat die Firma zahlreiche innovative Projekte umgesetzt und betreibt öffentliche Infrastruktur, ohne dass dafür jeweils eigene Behörden geschaffen werden mussten. Sie kann Planungsprozesse steuern, europaweit Ausschreiben und auch langfristig Betreiberaufgaben übernehmen – alles in einer Hand, was Behörden in der Form nicht leisten. Zudem hat Grün Berlin mit Töchtern wie der infraVelo GmbH neue Aufgaben übernommen (z.B. Radwegebau), was eine flexible Ausweitung des Tätigkeitsfeldes erlaubt.

Kritik und Probleme: In den letzten Jahren geriet die Grün Berlin GmbH jedoch stark in die Kritik. Kostenüberschreitungen bei Projekten und mangelnde Transparenz sorgten für Unmut im Abgeordnetenhaus. So haben sich die geschätzten Kosten für die Spreepark-Sanierung von anfänglich ~20 Mio. € auf rund 100 Mio. € erhöht – davon über 80 Mio. aus Landesmitteln. Ähnlich wird der Betrieb der Marzahner Seilbahn vom Land mit jährlich 1,5 Mio. € bezuschusst, obwohl der verkehrliche Nutzen gering ist. Abgeordnete beklagen, dass solche Mittelbindungen am Parlament vorbei entschieden werden. Nachfragen zu den Gründen der Kostensteigerungen blieben oft unbeantwortet, da die GmbH sich auf „betriebswirtschaftliche Kalkulationen“ zurückzieht. Wie ND berichtete: “Wieso die Kalkulation nun so anders ausfällt, lässt sich bei einer formal privaten GmbH nicht so einfach herausfinden”. Dieser Satz bringt die Frustration auf den Punkt – eine detaillierte Offenlegung wie im öffentlichen Haushalt fehlt. Demokratische Kontrolle findet nur indirekt über die Senatsverwaltung statt, was oppositionelle Abgeordnete umgeht. Ferner wurde bekannt, dass Grün Berlin ihrem Geschäftsführer variable Vergütungen/Gewinnbeteiligungen zahlt und dessen Gehalt deutlich gesteigert hat, trotz der öffentlichen Finanzierung. Diese Privatwirtschaft im Kleinen stößt auf Kritik, da das Unternehmen gleichzeitig gemeinnützige Ziele betont. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Aufgabenabgrenzung: Während Grün Berlin Millionen für Prestigeprojekte erhält, fühlen sich kommunale Grünflächenämter unterfinanziert. Es entsteht der Eindruck, das Unternehmen schaffe schöne Show-Projekte (häufig mit Eintritt), während basale Grünpflege leidet. Politiker der Linken forderten 2024 sogar, Grün Berlin perspektivisch aufzulösen und die Gelder direkt den Bezirken zu geben – nur so seien “nötige Kontrolle und Transparenz” wiederherzustellen, argumentieren sie. Bisher hält der Senat jedoch an der Gesellschaft fest, verweist auf laufende Verträge und die Kompetenz der Mitarbeiter. Grün Berlin zeigt exemplarisch die Gratwanderung: Einerseits ermöglicht die GmbH Leuchtturmprojekte und schnelles Handeln, andererseits provoziert sie demokratische Defizite und Debatten über Prioritäten (Glanzprojekte vs. Grundversorgung).

Berliner Schulbauoffensive (Howoge-Modell)

Kontext: Berlin steht – wie viele Kommunen – vor der Herausforderung maroder und fehlender Schulgebäude. 2016 startete die Landesregierung die Schulbauoffensive, ein Milliardenprogramm für Schulneubau und -sanierung. Um die finanzielle Last zu stemmen, wählte Berlin ein ungewöhnliches Konstrukt: Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge GmbH wurde als Partner gewonnen, um 25 Schulneubauten bis 2030 schlüsselfertig zu erstellen. Grund dafür war die seit 2020 auch für Länder geltende Schuldenbremse im Grundgesetz. “Sie schränkt die Kreditaufnahme für öffentliche Haushalte massiv ein”, erläutert nd. Eine GmbH hingegen kann Kredite aufnehmen, solange sie wirtschaftlich tragfähig sind. Im Gegensatz zum Landeshaushalt gibt es für die Howoge keine fixe Schuldengrenze – ihre Kreditfähigkeit hängt nur an Kennzahlen wie Eigenkapitalquote und Mieteinnahmen. Durch Übertragung von Erbbaurechten an Schulgrundstücken konnte die Howoge als Bauherr auftreten, die Schulen errichten und anschließend an das Land vermieten. Die Mieteinnahmen des Landes an Howoge dienen zur Tilgung der Kredite; nach 25 Jahren sollen die Schulen ins Eigentum des Landes zurückfallen. Dieses Modell ist eine Art “öffentlich-öffentliche Partnerschaft” (ÖÖP), bei der ein kommunales Unternehmen als Investor fungiert.

Vorteile und Absicht: Das Howoge-Modell erlaubte es Berlin, trotz knapper Kasse ein ambitioniertes Bauprogramm zu starten. Ohne die Auslagerung hätte die Stadt die Mittel nicht aufbringen können oder hätte andere Projekte streichen müssen. Zudem hoffte man auf die Professionalisierung des Schulbaus: Die bezirklichen Hochbauämter waren teils überfordert, große Schulen zu managen. Die Howoge sollte mit ihrer Erfahrung als Wohnungsbauer effizientere Abläufe bringen, Architektenwettbewerbe durchführen und als zentraler Ansprechpartner für Planer und Bauunternehmen dienen. Politisch wurde betont, es handle sich nicht um eine Privatisierung, da die Howoge ja landeseigen sei und dem Land verpflichtet bleibe. Durch strenge vertragliche Vereinbarungen wollte man sicherstellen, dass Qualität und Zeitplan eingehalten werden. Der damaligen großen Koalition galt das Modell als innovativer Weg, trotz Schuldenbremse in Bildungsinfrastruktur zu investieren, ohne formell neue Schulden im Haushalt auszuweisen.

Ergebnisse und Kritik: Mittlerweile hat das Howoge-Schulbauprogramm aber viel Kritik geerntet. Fortschritt und Kosten blieben hinter den Erwartungen zurück. Von den 25 geplanten Schulen ist bis 2024 erst eine einzige fertiggestellt (Campus Allee der Kosmonauten). Weitere sind im Bau, sollen bis 2026 sieben Stück fertig werden. Die Verzögerung liegt u.a. daran, dass Howoge für jeden Bau erst alle Prozesse neu aufsetzen musste – ein Lerneffekt, der Zeit kostete. Besonders heikel: Die Kosten explodierten. Ursprünglich wurden für alle Howoge-Schulen zusammen ~1 Mrd. € kalkuliert; inzwischen rechnet der Senat mit 5,6 Mrd. €, plus Zinsen in ähnlicher Höhe. Pro Schulplatz seien die Kosten etwa zehnmal höher als bei konventionellem Bezirks-Schulbau, kritisiert Waßmuth. Die rot-rot-grüne Vorgängerregierung habe die Kosten völlig unrealistisch niedrig angesetzt, entgegnet die aktuelle Bildungsverwaltung – man habe zwischenzeitlich massiv erhöhte Baukosten und Qualitätsunterschiede (die Howoge baut sehr große Schulen mit individualisierten Entwürfen, während Bezirke oft Typenbauten kostengünstiger erstellen). Dennoch bleibt der Vorwurf: Hier wurden demokratische Kontrollmechanismen ausgehebelt. Die Bezirke und Abgeordneten hatten wenig Einfluss auf Planung und Ausführung der Howoge-Bauten; stattdessen laufen Entscheidungen über Verträge zwischen Senat und Howoge. Die Initiative Gemeingut in Bürgerhand spricht offen von “Privatisierung, die nicht Privatisierung genannt werden darf”. Obwohl die Howoge 100% landeseigen ist, habe der Staat faktisch die Verantwortung abgegeben und bekomme “am Ende nur die Rechnung„. Zudem wird die Verschuldung über Umwege kritisiert: Das Land zahlt zwar nicht direkt Kredite, aber es muss langfristig hohe Mieten an Howoge im Haushalt einplanen (man rechnet mit 500 Mio. € jährlich ab den 2030er Jahren). Gegner des Modells sehen darin einen Trick, der kommende Generationen belastet, ohne dass sie demokratisch zugestimmt hätten – ein Vorwurf des “Verfassungsbruchs” wurde von einigen geäußert, weil die Schuldenbremse so umgangen werde. Die Regierung verweist jedoch darauf, dass ohne dieses Modell weit weniger Schulen gebaut worden wären, was auch keine Option war. Bislang konnte kein massiver Missbrauch durch Private festgestellt werden – die Howoge ist kein privater Investor, sondern ein öffentliches Unternehmen, gebunden an Vergaberecht und Vorgaben. Gleichwohl hat das Beispiel Berlin bundesweit eine Debatte ausgelöst, ob solche Konstruktionen sinnvoll sind oder ob sie Transparenz und demokratische Kontrolle über Investitionen gefährlich schwächen.

Weitere Beispiele

Die Tendenz zur Aufgabenverlagerung in privatrechtliche Unternehmen zeigt sich auf allen föderalen Ebenen und in verschiedenen Sektoren:

  • Deutsche Bahn AG: Die Reform von 1994 verwandelte die Deutsche Bundesbahn von einer Behörde in die Deutsche Bahn AG – einen privatrechtlichen Konzern, allerdings vollständig bundeseigen. Ziel war es, die “Beamten- oder Behörden-Bahn” in ein marktorientiertes Unternehmen umzubauen. Tatsächlich spricht man seither vom Kunden statt vom Fahrgast, Service und Wettbewerb spielten eine größere Rolle. Gleichzeitig hat die Bahn-AG aber auch gezeigt, dass Profitorientierung problematisch sein kann: Es kam zu erheblichen Sparmaßnahmen, Stellenabbau und Investitionsstau im Schienennetz, was die öffentliche Hand nun mit Milliardensummen wieder auffangen muss. Die parlamentarische Kontrolle war zwischendurch eingeschränkt – die Bundesregierung verweigerte Auskünfte über die Geschäftspolitik der Bahn, bis das BVerfG 2017 die Auskunftspflicht bestätigte. Die Bahn bleibt somit ein Beispiel, wie öffentliches Eigentum in privater Form nicht automatisch Erfolg garantiert, aber doch “andere Regeln des Spiels” einführt.
  • Kommunale Versorgungsbetriebe: Viele Städte haben traditionell kommunale Unternehmen (Stadtwerke, Verkehrsbetriebe) in öffentlich-rechtlicher Form geführt. Seit den 1990ern wurden aber etliche in GmbHs oder AGs umgewandelt oder teilprivatisiert. Beispiele: die Hamburger Hochbahn AG (städtischer ÖPNV in AG-Form, 100% Stadt), die Stadtwerke München GmbH, die Frankfurter Müllentsorgung FES GmbH (teilprivat) u.v.m. Hier standen oft Effizienzgründe und Marktfähigkeit im Vordergrund. Die Unternehmen agieren im Wettbewerb (z.B. Energiemarkt) und sollen Gewinne erzielen, behalten aber einen öffentlichen Versorgungsauftrag. Erfahrungen: Solche Stadtunternehmen können innovativer und flexibler sein (z.B. eigene Ökostrom-Produkte entwickeln), aber es gab auch Fälle von Fehlentwicklungen – etwa hohe Managerboni und riskante Investments, die öffentlich skandalisiert wurden. Viele Kommunen haben nach negativen Erfahrungen (z.B. Watergate-Affäre um die Berliner Wasserbetriebe, die teilprivatisiert und 2013 re-kommunalisiert wurden) erkannt, dass kommunale Daseinsvorsorge sensibel ist. Der Trend geht zuletzt wieder leicht zurück zur Rekommunalisierung (Rückführung in direktere öffentliche Steuerung), allerdings oft ohne die privatrechtliche Hülle aufzugeben. So kaufte Hamburg sein Strom- und Gasnetz zurück, betreibt es nun aber als städtische GmbH (Stromnetz Hamburg GmbH) – die Stadt ist Eigentümerin, doch das Unternehmen operiert marktwirtschaftlich.
  • Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP/PPP): Zwar kein rein öffentliches Unternehmen, aber der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass PPP-Modelle ähnlich motiviert sind – Aufgaben werden an Private gegeben, um Effizienz zu steigern. Einige Bundesländer gründeten hierfür gemeinsame Projektgesellschaften. Negativbeispiel: Der PPP-Ausbau der A1-Autobahn durch eine private Betreibergesellschaft (A1 Mobil GmbH) führte nach anfänglichem Tempo in eine Insolvenz, sodass der Staat einspringen musste. Dieses Beispiel zeigt die Gefahren externer Privatisierung. Die Flucht aus dem öffentlichen Recht durch PPP kann finanziell teuer enden. Im Vergleich dazu bieten rein öffentliche GmbHs zumindest die Gewähr, dass die Wertschöpfung im öffentlichen Sektor bleibt – allerdings ohne die volle Kontrolle einer Behörde.

Zusammenfassend verdeutlichen die genannten Fälle, dass die Ausgründung öffentlich-rechtlicher Aufgaben in private Rechtsformen zwar oft mit hehren Zielen wie Effizienz, Schnelligkeit und Flexibilität erfolgt, in der Umsetzung aber neue Herausforderungen auftreten: Demokratiefreundliche Prinzipien von Kontrolle und Transparenz müssen neu gesichert werden, und wirtschaftliche Freiheiten wollen verantwortungsvoll genutzt sein. Die Debatte bis August 2025 zeigt ein ambivalentes Bild: Weder sind solche privatrechtlichen öffentlichen Unternehmen per se Allheilmittel für Verwaltungsprobleme, noch sind sie zwangsläufig demokratische Super-GAUs. Vielmehr kommt es auf kluge Gestaltung, klare rechtliche Leitplanken und aktive politische Steuerung an, damit öffentlich bleibt, was öffentlich sein soll, und die Vorteile der privatwirtschaftlichen Organisation tatsächlich dem Gemeinwohl zugutekommen.

Quellen: Die Analyse stützt sich auf aktuelle Berichte und Experteneinschätzungen, u.a. des Bundesrechnungshofs, parlamentarischer Anfragen und Presseartikel bis August 2025, die die genannten Beispiele und Argumente belegen.